Aktuelle Rechtsprechungsübersicht

6. Dezember 2016

Aktuelle Rechtsprechungsübersicht
von Herrn Lautenbacher

 

1. Keine Frist für Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses

aus wichtigem Grund

 

Im Urteil vom 13.07.2016 hat der BGH zum Az VIII ZR 296/15 für Recht erkannt, dass zumindest im Wohnraummietrecht die Frist des § 314 Abs. 3 BGB auf Kündigungen gem. §§ 543, 569 BGB nicht anwendbar ist. Die Anwendbarkeit ergebe sich weder explizit aus dem Gesetz, noch aus dem Gesetzgebungsverfahren. In den dortigen Gesetzmaterialien sei eindeutig bestimmt, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses abschließende Spezialregelungen seien. Die Einführung einer angemessenen Frist innerhalb derer die Kündigung ausgesprochen sein müsste, ist bewusst nicht erfolgt. Die Gesetzesbegründung verweise überdies hinaus darauf, dass ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb ein Bedürfnis für die Einführung einer Frist zum Ausspruch der Kündigung nicht besteht.

 

 

2. Bei Überschreiten der ortsüblichen Marktmiete um mehr als 50 %

liegt Mietwucher vor

 

In einem Urteil vom 31.05.2016, Az. 316 S 81/15, hat das Landgericht Hamburg die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, wonach ein gegen die Sitten verstoßendes Wuchergeschäft vorliege, insofern die vereinbarte Miete die ortsübliche um mehr als 50 % übersteige. Dies habe zur Konsequenz, dass der Vermieter zur Rückzahlung der überzahlten Mieten verpflichtet sei.

 

 

3. Fälligkeit der Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung

 

Mit Beschluss vom 20.06.2016, Az. 121 C 217/16, hat das Amtsgericht Saarbrücken im Anschluss an ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 04.12.2012, Az. 409 C 174/12, klargestellt, dass im Falle einer formell und materiell richtigen Betriebskostenabrechnung der Zahlungsanspruch des Vermieters sofort fällig wird. D.h. dass in diesem Fall, die Fälligkeit der Nachzahlungsforderung des Vermieters mit Zugang beim Mieter eintritt.

 

 

4. Vorlagepflicht für Belege im Rahmen der Betriebskostenabrechnung bei

öffentlich geförderten Wohnraum

 

Mit Urteil vom 29.12.2016 hat das Amtsgericht Dortmund zum Az. 436 C 9/16 für Recht erkannt, dass der Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter auf dessen Verlangen hin gegen Kostenerstattung die der Betriebskostenabrechnung zugrunde liegenden Belege zu übersenden. Die entsprechende Verpflichtung ergibt sich aus § 29 NMV 1970. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so besteht ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters, welches im Ergebnis dazu führt, dass das Nachzahlungsbegehren des Vermieters noch nicht fällig ist.

 

 

 

 

 

 

 

5. 10 %-Grenze für Wohnflächenabweichung gilt auch bei repräsentativer

Villa mit Garten

 

Das Amtsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 02.03.2016, Az. 49 C 91/13, klargestellt, dass die Angabe der Wohnfläche regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt. Bei einer Flächenabweichung von mehr als 10 % von der mietvertraglich angegebenen, bestehe eine unwiderlegliche Vermutung für eine Gebrauchsbeeinträchtigung, welche in der Folge eine Mietminderung nach sich ziehe. Die Ermittlung der Wohnfläche erfolgt dabei in der Regel nach der Wohnflächenverordnung. Die Verjährung des Rückforderungsanspruches des Mieters beginnt mit Kenntnis von der Wohnflächenabweichung. Eine Kenntnis allein durch Benutzung der Mietsache wird dabei nicht vermutet.

 

 

6. Schönheitsreparaturklausel

 

Auch bei gewerblichen Räumen ist eine Klausel, wonach der Mieter zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen verpflichtet wird, für den Fall, dass er die Räumlichkeiten unrenoviert übernommen hat, unwirksam.

 

Zu der bestehenden Problematik hat der BGH bereits am 18.03.2015 unter dem Az. VIII ZR 185/14 eine Grundsatzentscheidung getroffen. Hier hatte der BGH festgestellt, dass eine formularmäßige Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist, insofern der Mieter die Räumlichkeiten unrenoviert übernommen hatte und für die Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen keinen angemessenen Ausgleich erhalten hat.

 

Das OLG Celle hat nunmehr mit Beschluss vom 13.07.2016 (Az:2 U 45/16) festgehalten, dass der Mieter von gewerblichen Räumlichkeiten in diesem Zusammenhang keinen geringeren Schutz genießt als der Wohnraummieter. Dementsprechend gelten die zuvor aufgestellten Grundsätze auch für gewerbliche Mietverhältnisse.

 

 

7. Fristlose Kündigung wegen Gefährdung der Gesundheit ist auch

nach andauernder rügeloser Nutzung der Mietsache noch möglich

 

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 16.02.2016, Az. 10 O 202/15, erkannt, dass einer auf die Regelung des § 569 Abs. 1 BGB gestützten fristlosen Kündigung nicht entgegensteht, dass der Mieter die Mietsache für längere Zeit genutzt hat, ohne Mängelrügen gegenüber dem Vermieter zu erheben. Im konkreten Fall hatte der Mieter die Mietsache bereits seit Jahren genutzt, nachdem er sodann gestützt auf eine Einsturzgefahr des Daches die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen einer Gesundheitsgefährdung erklärt. Das Gericht erkannte, dass die Kündigung wirksam sei. Ausweislich der Regelung des § 569 Abs. 1 Satz 2 BGB stehe auch eine jahrelange rügelose Nutzung der Mietsache der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.

 

 

8. Bei Verwaltung einer WEG kann der Verwalter keine fiktiven Kosten abrechnen

 

Der Entscheidung des Landgerichts Dresden vom 09.03.2016, Az. 2 S 400/15, lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Verwalter eine Wohnungseigentumseinheit aufgrund eines von ihm eingesetzten Softwareprogramms Kontoführungsgebühren für die Wohnungseigentümer eingespart hat. In der Abrechnung der Hausnebenkosten hat der Verwalter dann diese Kontoführungsgebühren als „ersparte Kosten“ zu seinen Gunsten abgerechnet. Ein solches Vorgehen ist jedoch nur dann rechtmäßig, wenn dies ausdrücklich im Verwaltervertrag vereinbart ist.

 

Weiterhin hat das Landgericht Dresden klargestellt, dass durch die Verwaltervergütung alle nach dem Gesetz erforderlichen Tätigkeiten des Verwalters abgegolten sind. Dies beinhaltet etwa die Durchführung einer Eigentümerversammlung pro Jahr. Nur eine zweite zusätzliche Eigentümerversammlung könnte vom Verwalter separat abgerechnet werden, sofern dies vereinbart ist, auch Portokosten sind in der pauschalen Vergütung des Verwalters genauso enthalten wie allgemeine Bürokosten und sind daher einer gesonderten Umlegung auf die Eigentümer nicht zugänglich.

 

 

9. Für eine Entscheidungsfindung maßgebliche Informationen müssen bereits

vor der Versammlung verfügbar sein

 

Im Urteil vom 20.05.2016, Az. 2-13 S 1/13, hat das Landgericht Frankfurt am Main klargestellt, dass diejenigen Informationen, welche es dem Wohnungseigentümer ermöglichen sollen, im Rahmen der Eigentümerversammlung hinsichtlich eines Beschlussgegenstandes zu entscheiden, bereits vor Durchführung der Versammlung verfügbar sein müssen.

 

Im konkreten Fall hatte das Gericht erkannt, dass eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Urteil nicht möglich war, da den Wohnungseigentümern keine ausreichenden Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Der in der Folge von den Wohnungseigentümern gefasste Beschluss zur Frage, ob ein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden soll, wurde daher von Seiten des Gerichts für ungültig erklärt.

 

 

10. Kein Anspruch auf Zustimmung zur Überlassung einer Eigentumswohnung an wechselnde Mieter/Asylbewerber

 

In einem vor dem Landgericht Koblenz am 04.08.2016 entschiedenen Fall, war in der Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bei Überlassung des Wohnungseigentums an Dritte erforderlich ist. Diese Zustimmung durfte jedoch nur aus wichtigem Grund versagt werden. Ohne die Zustimmung einzuholen, vermietete die Klägerin die in ihrem Sondereigentum stehende Wohnungseigentumseinheit an die Gemeinde zur Unterbringung von maximal sechs bis acht wechselnden Asylbewerbern.

 

Das Gericht hat vorliegend erkannt, dass die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer hätte eingeholt werden müssen. Zwar durfte diese Zustimmung lediglich aus wichtigem Grund versagt werden, wodurch verhindert werden solle, dass die Gebrauchsüberlassung an solche Personen erfolgt, die sich nicht in die Gemeinschaft einordnen könnten.

 

Insofern diejenigen Personen, an welche der Wohnraum überlassen wird, aufgrund unbestimmter Angaben jedoch nicht feststeht, ist aus Sicht des Gerichts generell nicht gewährleistet, dass der Wohnraum nur geeigneten Personen überlassen wird.

 

 

 

 

11. Kein Ausschluss aus der Wohnungseigentümerversammlung bei

ungedämpftem Redeschwall

 

Das Amtsgericht Offenbach hat mit Urteil vom 23.05.2016, Az. 320 C 9716, für Recht erkannt, dass ein Wohnungseigentümer zwar von der Versammlung ausgeschlossen werden könne, insofern er diese erheblich stört. Ein solcher Ausschluss könne allerdings aufgrund der Intensität des Eingriffes nur als letztes Mittel erfolgen. Insofern mildere Mittel vorhanden sind, welche die Störung durch den Eigentümer beenden würden, sind solche Mittel vorrangig heranzuziehen. Beispielsweise könne ein lediglich zeitweiser Ausschluss von der Versammlung vorrangig zu wählendes Mittel sein.

 

 

12. Angaben im Energieausweis dienen nicht dem Schutz des Erwerbers

 

In seinem Urteil vom 04.08.2016, Az. 1 O 136/16 hat das OLG Koblenz klargestellt, dass die Angaben im Energieausweis einen unmittelbaren Rückschluss auf den tatsächlichen Energieverbrauch des Gebäudes nicht erlauben. Daher müsse der Aussteller des Ausweises nicht damit rechnen, dass die entsprechenden Angaben im Energieausweise Relevanz für den Anschluss des Käufers über den Erwerb der Immobilie haben. Insofern sich solche Anhaltspunkte nicht aus weitergehenden Umständen ergeben, könne ein Dritter bei Fehlangaben im Ausweis Schadenersatzansprüche gegenüber dem Aussteller nicht geltend machen.

 

Überdies hinaus hat das OLG klargestellt, dass in demjenigen Fall, in welchem der Auftraggeber des Energieausweises ein Wohnhaus unter Ausschluss der Sachmängelhaftung veräußern, es dem Verkäufer verwehrt ist, den Aussteller des fehlerhaften Energieausweises in Anspruch zu nehmen. Dessen Haftung könne nämlich nicht weiter reichen als diejenige des Verkäufers selber.